Postulat «Das Bildungssystem bleibt ungerecht»
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Damen & Herren Stadträte, geschätzte Anwesende Ich spreche in eigenem Namen. Vorab möchte ich festhalten, dass ich mich sehr freue, dass der Stadtrat die Erheblicherklärung des Postulats „Das Bildungssystem bleibt ungerecht“ vorschlägt. Damit unterstreicht er, dass die Verbesserung der Chancengerechtigkeit im Bildungswesen nicht nur ein national oder international anzustrebendes Ziel ist, sondern auch ganz konkret „quasi vor der eigenen Haustüre“ systematisch untersucht und dokumentiert werden soll, um gestützt darauf entsprechende Massnahmen zu treffen. Ebenfalls erfreulich sind die in der Stellungnahme genannten zahlreichen Massnahmen, wie bsplw. die frühe Förderung oder der Intensivierung der Elternarbeit, die bereits jetzt zur Erreichung der Chancengerechtigkeit beitragen. Dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier weiterhin dringender Handlungsbedarf besteht. Dies zeigen mitunter auch die in der Stellungnahme zitierten nationalen und internationalen Studien und Erhebungen. Der Stadtrat schlägt deshalb vor, dass in einem Bericht „in allgemeiner Weise die wichtigsten Erkenntnisse aus den bereits vorliegenden Untersuchungen und Publikationen zusammengefasst werden soll“. Anschliessend soll geprüft werden, ob „spezifische Aussagen zum Stand der Chancengerechtigkeit der Kinder und Jugendlichen in der Stadt St.Gallen gemacht werden können.“ Damit wird aber leider nur zementiert, was in den Forschungsergebnissen bereits jetzt offengelegt wird; nämlich dass „Chanengerechtigkeit/Equity“ aufgrund der fehlenden Datenlage nur schwer interpretiert werden kann (vgl. „Bildungsbericht Schweiz 2018“) und deshalb dieser wichtige Punkt – ich zitiere – lediglich „thematisiert“, aber keine konkreten Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können. Mit der vorgeschlagenen Berichterstattung werden auch wir das Thema „Chancengerechtigkeit“ nur „thematisieren“. Auch wir werden Schwierigkeiten haben fundierte Lösungsansätze aufgrund von „Hard Data“ zu entwickeln. Insofern würde es sich beim vorgeschlagenen Bericht tatsächlich nur um den berühmten „Papiertiger“ handeln. Ich fordere den Stadtrat deshalb auf, „die letzte Meile zu gehen“ und Daten nicht nur zu interpretieren, sondern auch zu erheben. Dies im vollen Bewusstsein, dass dieser Weg relativ aufwändig und teuer ist. Ich bin aber gleichzeitig überzeugt, dass wir insgesamt eine aussagekräftigere Entscheidungsgrundlage erhalten, die den St.Galler Verhältnissen besser gerecht wird. Mit St.Galler-Verhältnissen meine ich insbesondere die immer wieder gern zitierte „Berg-und-Tal-Schulen“-Situation. Konkret: Wie wirkt sich der Besuch eines Berg- oder Talschulhauses auf die Chancengerechtigkeit aus? Lassen sich tatsächlich Unterschiede erkennen? Sind die individuellen Bildungschancen in St.Gallen tatsächlich an die Höhenluft gekoppelt? Bietet der Besuch der Flade, die zwar nicht auf Meeres- aber auf Steinachhöhe liegt tatsächlich bessere Bildungschancen? Auf all diese spekulativen und vielleicht sogar irrationalen Fragen und Hypothesen könnte endlich mit „Hard Facts“ geantwortet werden. Sollten sich gewisse Hypothesen erhärten, könnten in einem nächsten Schritt tatsächlich die richtigen Fragen gestellt werden. Müssen wir einer allfälligen Chancenungerechtigkeit, die der speziellen „Berg- und Tal-Situation“ geschuldet ist, mit gezielten Massnahmen (z.B. durch gezielte sozio-ökonomische Durchmischung mit Schulbussen) entgegenwirken? Ich bin deshalb klar der Meinung, dass wir diese „Extra-Meile“ gehen müssen. Nur so können wir endlich Antworten auf Fragen finden, die Parlament, Presse und vor allem die St.Galler Familien schon seit Jahren brennend interessieren. In diesem Sinn bitte ich dem Abänderungsantrag zuzustimmen und das Postulat erheblich zu erklären.
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AutorinJacqueline Gasser-Beck Archiv
Oktober 2019
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