25. Sitzung; 30. Oktober 2018 Traktandum 7: Interpellation SP-Juso-PFG Fraktion: «Keine Gebühren für Tagesbetreuung» Sehr geehrter Herr Präsident, Damen und Herren Stadträte, Anwesende im Saal Ich spreche in eigenem Namen. Im Gegensatz zu meiner Fraktion unterstütze ich das von den Interpellanten zur Diskussion gestellte Konzept einer – wenn auch kostenpflichtigen – Tagesbetreuung. Die Stadt Zürich hat frühzeitig erkannt, dass ein fortschrittliches Schulsystem ein Standortfaktor sein kann und hat deshalb bereits 2015 ein Pilotprojekt für Ganztageschulen lanciert. Nach erfolgreichem Abschluss der Projektphase, sollen nun in einer zweiten Phase bis 2025 alle Zürcher Stadtschulen in das Modell Tagesschule überführt werden. Über diese Vorlage erfolgte im Sommer 2018 eine Volksabstimmung, die mit 77.3 % angenommen wurde. Die Vorlage wurde sowohl von der FDP (Kostenreduktion und Vereinbarkeit) als auch von SP (Chancengleichheit) unterstützt. Zürich folgt damit einem Modell, dass ausserhalb der Schweizer Grenzen beinahe flächendeckend zu Einsatz kommt. Auch in St.Gallen ist es dank der Einführung von Blockzeiten, Mittagstisch und nachschulischer Betreuung in den letzten 10 Jahre gelungen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Von einem wertefreien, chancengerechten Schulsystem ist das St.Galler Konzept aber noch immer weit entfernt. Es ist nach wie vor so, dass die «Nutzung» oder «Nichtnutzung» eines «freiwilligen Angebots» in vielerlei Hinsicht stigmatisiert. Als alleinerziehende erwerbstätige Mutter weiss ich wovon ich rede. Das amerikanische Schulkonzept mit einem subventionierten School Lunch und freiwilligem, aber kostenpflichtigen After-School Programm, dass ich während 6 Jahren in den USA nutzen konnte, war in jeder Hinsicht stressfreier und hat mich zumindest organisatorisch überzeugt. Wir können stolz sein, dass wir weltweit eine der höchsten Erwerbsquoten von Männern und Frauen aufweisen. Also alles gut? Nein, leider nicht! Mit der weltweit höchsten Frauen-Teilzeiterwerbsquote (insbesondere mit tiefen Teilzeitpensen), nutzen wir unser wirtschaftliches Potential, auch in Zeiten von Fachkräftemangel und Überfremdungsängsten, nur unzureichend aus. Das Konzept des freiwilligen Mittagstischs mit langer Mittagpause, welche ein Mittagessen zu Hause ermöglichen soll, unterstützt – nicht ganz wertneutral - tradierte Rollenbilder, welche sich vor allem in Ernährer- oder Zuverdiener-Familienerwerbsmodelle zeigen. In Zeiten der sich wandelnden Familienkonzepte (Stichwort soziale Absicherung) sollten aber optimale Voraussetzungen für egalitäres Familienerwerbsmodell geschaffen werden. Mit einem durchgängigen Ganztageskonzept bis 15.30 h und optionaler einkommensabhängiger nachschulischer Betreuung kann die Chancengleichheit erhöht und gleichzeitig Raum für individuelle Familienkonzepte (ein Elternteil übernimmt die nachschulische Betreuung) geschaffen werden. Ich würde mir deshalb wünschen, dass eine Tagesschule auch in St.Gallen eine Chance hätte. Jacqueline Gasser-Beck, glp ung hier klicken. |
AutorinJacqueline Gasser-Beck Archiv
Oktober 2019
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